Die richtige Erzählperspektive für deinen Roman

Wortwolke mit Begriffen zur Erzählperspektive

Manche handwerklichen Schreibprobleme begegnen mir als Lektorin und Autorencoach immer und immer wieder. Eine unbestimmte Erzählperspektive ist eines der häufigsten. Vor allem Schreibanfänger*innen schreiben oft drauflos, ohne sich Gedanken über die grundlegenden Entscheidungen zu machen, die dazugehören, soll dein Roman später gut funktionieren. Wie die bewusste Entscheidung für eine Erzählperspektive nicht nur Planung und Arbeit bedeutet, sondern auch Spaß machen und deinen Text auf eine neue Qualitätsstufe befördern kann, zeige ich dir in dieser Übersicht.

Inhaltsverzeichnis

Erzählperspektive - was ist das eigentlich?

Bevor du eine Schreibtechnik anwendest, musst du sie verstanden haben. Was verbirgt sich also hinter dem Begriff Erzählperspektive? Lass uns mit der englischen Bezeichnung beginnen – die ist nämlich selbsterklärender als die deutsche.

Erinnerst du dich noch an den point of view, der sicherlich auch in deinem Englischunterricht vorkam? Die beiden wichtigsten Elemente der Erzählperspektive verstecken sich in diesem Wort: der Standpunkt, von dem aus jemand eine Geschichte erzählt, und die Sichtweise, aus der auf das Geschehen geblickt wird. Kurz: Wer erzählt deine Geschichte und wie nah dran oder wie weit entfernt ist er oder sie vom Geschehen?

„Objektive“ Wahrheiten begegnen uns fast nie, auch wenn uns das im Alltag nicht immer bewusst ist. Für dich ist der Küchenboden dreckig, wenn du im Gegenlicht ein paar Krümel darauf erkennen kannst, für deinen Partner beginnt „Dreck“ erst mit großen, matschigen Tapsern. Ihr habt einen unterschiedlichen Blick auf die Situation – im Alltag führt das zu Konflikten, bei einer Geschichte dazu, dass sie ganz anders wirken kann, je nachdem, durch wessen Augen du sie deine Leser*innen erleben lässt.

Warum braucht dein Roman eine Erzählperspektive?

Eine Gruppe Mädchen läuft auf ein Schloss zu. Über ihnen scheint die Sonne von einem blauen Himmel. Eines der Mädchen trägt eine weiße Bluse und einen schwarzen Blazer und betrachtet missmutig das Mädchen vor sich. Dieses scheint nichts davon zu merken. Es trägt goldene Ohrringe und ein schlichtes, weißes Oberteil zur blauen Jeans. Es ist sehr hübsch.

Ist das schon eine Erzählperspektive? Ja und nein. Es ist keine bewusst gewählte und gestaltete, weshalb sich mein kleiner Beispieltext ziemlich langweilig liest. Trotzdem enthält er zwei Elemente der Erzählperspektive, die du beim Schreiben deines Romans nicht umgehen kannst: Auswahl und Wertung. Zumindest ohne die Auswahl dessen, was erzählt wird, kommt keine Geschichte aus. Es ist unmöglich, alles zu berichten, was in einer Szene passiert. Wenn du auswählst und Dinge hervorhebst, bedeutet das im Umkehrschluss, dass andere unter den Tisch fallen. Im Text oben entscheidet der Erzähler zum Beispiel, genauer auf zwei der Mädchen zu blicken – und nicht auf alle. Zwei verschiedenen Erzähler*innen, die auf eine Szene blicken, heben unterschiedliche Dinge hervor – und schon hast du eine Erzählperspektive.

Was mir beim Lektorat oder Schreibcoaching mit Debütant*innen allerdings häufig begegnet, sind Beispiele wie das obige. Der Text hat zwar „irgendwie“ eine Perspektive, weil es ohne gar nicht geht, aber die schwimmt zwischen einem auktorialen, personalen und neutralen Erzähler. Mal wird wie durch ein Kameraauge scheinbar neutral berichtet, mal kurz in den Kopf einer Figur abgetaucht, dann wieder gibt es einen Erzählerkommentar. Wenn sich eine solche Erzählhaltung durch einen ganzen Roman zieht, ist es schwierig, das im Nachhinein zu verändern. Besser du entscheidest von Anfang an, welche Erzählperspektive zu deinem Roman passt!

Die Antwort auf die Frage lautet also: Ja, dein Roman braucht eine Erzählperspektive. Und du solltest sie bewusst auswählen, denn die Erzählperspektive ist eine der größten Gestaltungsmöglichkeiten für deinen Text. Eine Krimihandlung liest sich völlig anders, je nachdem, ob deine Leser*innen sie durch die Augen einer Polizistin, des Opfers, eines schrulligen Privatdetektivs oder des Mörders selbst lesen. Durch die Wahl der Perspektive ermöglichst du deinen Leser*innen die Identifikation mit einer oder mehreren Figuren. Und auch die Informationsvergabe, also an welcher Stelle deines Romans deine Leser*innen was erfahren, hängt wesentlich davon ab, welche Erzählperspektive du wählst: Die Mörderin weiß von Anfang an, wie die Tat abgelaufen ist, der Polizist muss das erst herausfinden. Wenn du dich bewusst mit den Möglichkeiten der Erzählperspektive beschäftigst, hebt das deine Geschichten in neue Höhen.

Welche Erzählperspektiven gibt es?

Um zu entscheiden, welche Erzählperspektive du für deinen Roman wählst, musst du erst einmal wissen, welche Möglichkeiten es gibt. Und du musst dir klar werden: Egal, durch wessen Augen du auf das Geschehen blickst, die Wahl der Perspektive bringt immer auch Beschränkungen mit sich.

Diese Erzählperspektiven gibt es:

Der auktoriale Erzähler

Malou lief mit den anderen auf das Schloss zu, in dem sie künftig zur Schule gehen sollte. Über ihnen schien die Sonne von einem blauen Himmel und noch ahnte niemand, dass das nicht so bleiben würde. Das Mädchen, das vor Malou ging, trug goldene Ohrringe und ein schlichtes, weißes Oberteil zur blauen Jeans. Verdammt, war die hübsch, dachte Malou und verzog missmutig das Gesicht. Das Mädchen selbst, Victoria, merkte nicht, dass sie beobachtet wurde. Sie war völlig in Gedanken versunken – in Gedanken an ihre kleine Schwester, die jetzt ganz allein mit ihren unfähigen Eltern zurechtkommen musste.

Der auktoriale Erzähler wird nicht umsonst auch allwissender Erzähler genannt. Denn genau so ist es: Er weiß einfach alles. In meinem Beispieltext gibt er den Leser*innen einen Ausblick darauf, was kommen wird („und noch ahnte niemand, dass das nicht so bleiben würde“) und er schaut in gleich zwei Köpfe, in Malous und in Victorias. Die Perspektive ist allerdings immer noch eine zurückhaltende. Der Erzähler ist nicht Teil der Geschichte, sondern scheint beinahe über dem Geschehen zu schweben oder es zumindest aus weiter Ferne zu kommentieren. Der auktoriale Erzähler schafft also eine gewisse Distanz zwischen deinen Figuren und deinen Leser*innen. Er kann trotzdem mehr, als ich dir in diesem kurzen Textausschnitt zeigen kann: Du kannst auch einen auktorialen Erzähler anlegen, der bissig, ironisch, sarkastisch ist und deiner Geschichte einen ganz eigenen Ton gibt. Was er nicht kann, ist, die Distanz zu den Figuren völlig zu überbrücken.

Unter anderem deshalb ist die auktoriale Erzählperspektive ein wenig aus der Mode geraten. Viele Autor*innen möchten ihre Leser*innen stärker in die Geschichte hineinziehen und wählen deshalb einen personalen oder Ich-Erzähler.

Wenn du dich für diese Perspektive entscheidest, solltest du auf jeden Fall genau überlegen, wie du deinen Erzähler positionierst und wie du Beliebigkeit vermeidest. In Bezug auf die Informationsvergabe ist ein auktorialer Erzähler sehr bequem, sollte dich aber nicht zur Faulheit verleiten: Wenn du ihn gleich zu Beginn alles erzählen lässt, was er weiß, killst du womöglich die Spannung deines Romans.

Auktorialer Erzähler in Kürze

Der Ich-Erzähler

Ich laufe auf das Schloss zu – das Schloss, das bald meine Schule sein wird. Um mich herum die anderen Mädchen, die offenbar nicht aufhören können, zu schnattern, obwohl sie sich erst seit fünf Minuten kennen. Über uns ein so knallblauer Himmel, wie ich ihn in diesem Sommer bisher kaum gesehen habe. Mein Blick fällt auf das Mädchen vor mir. Sie trägt goldene Ohrringe und ein schlichtes, weißes Oberteil zur blauen Jeans. Verdammt, ist die hübsch! Und die Klamotten sind so teuer, ich wette, allein das Oberteil hat mehr gekostet als alles, was ich in meinen Koffer habe.

Merkst du, wie sehr sich der Tonfall des Textes ändert, wenn aus dem auktorialen Erzähler eine Ich-Erzählerin wird? Plötzlich bist du als Leser*in viel näher am Geschehen, was unter anderem daran liegt, dass der Erzähler nun nicht mehr gottgleich über allem schwebt, sondern Teil der Geschichte ist. Durch Malous Augen erfährst du, was sie sieht, und folgst außerdem ihren Gedanken, sodass du schon nach wenigen Sätzen einen Eindruck ihrer Persönlichkeit gewinnst. Die Identifikation mit der Figur fällt leichter als in der auktorialen Erzählperspektive. Das ist der große Vorteil der Ich-Perspektive. Insbesondere für Schreibanfänger*innen ist sie außerdem leichter durchzuhalten als die anderen Erzählperspektiven – denn was ein „Ich“ wissen kann oder eben nicht, ist für uns alle leicht nachvollziehbar.

Ist dir aufgefallen, dass ich die Szene diesmal ins Präsens gesetzt habe? Wenn du eine*n Ich-Erzähler*in im Präsens erzählen lässt, erreichst du die größte Unmittelbarkeit. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass du schnell und direkt erzählst und keine großen Erklärungen anbringst.

Ich-Erzähler*innen laden außerdem dazu ein, eine eigene Erzählerstimme zu entwickeln. Malou in meinem Beispiel ist eine jugendliche Figur und benutzt zwar nicht gerade Jugendsprache, drückt sich aber doch recht mündlich aus.

Aber natürlich hat auch diese Perspektive ihre Nachteile. Ein Ich-Erzähler oder eine Ich-Erzählerin hat ein beschränktes Wissen. Er oder sie kann nur von Geschehnissen berichten, bei denen er bzw. sie dabei war und kann selbstverständlich auch nichts von den Gedanken anderer Figuren wissen. Solche Einschränkungen können deine Kreativität beim Schreiben aber durchaus fördern: Wie zum Teufel bekommst du unter, dass die Freundin deines Ich-Erzählers ihn betrügt, wenn er nichts davon ahnt? Auch Missverständnisse lassen sich viel spannender erzählen, wenn du deinen Leser*innen nicht gleich die Lösung auf dem Silbertablett servierst, sondern sie mitfiebern und mitempfinden lässt.

Ich-Erzähler in Kürze

Der personale Erzähler

Malou lief auf das Schloss zu – das Schloss, das bald ihre Schule sein würde. Um sie herum die anderen Mädchen, die einfach nicht aufhörten, zu reden, obwohl sie sich erst seit fünf Minuten kannten. Über ihr ein so knallblauer Himmel, wie sie ihn in diesem Sommer bisher kaum gesehen hatte. Ihr Blick fiel auf das Mädchen vor ihr, die goldenen Ohrringe, ihr schlichtes, weißes Oberteil zur blauen Jeans. Verdammt, war die hübsch! Und die Klamotten so teuer, Malou war sich sicher, allein das Oberteil hatte mehr gekostet als alles in ihrem Koffer zusammengenommen.

Wahrscheinlich hast du bemerkt, dass sich an meinem Beispieltext im Vergleich zur Ich-Perspektive gar nicht so viel verändert hat. Der augenfälligste Unterschied zwischen personaler und Ich-Perspektive sind die Pronomen, die du jeweils veränderst. Die Distanz ist außerdem wieder etwas größer geworden, die Sätze klingen getragener (zumal ich zum Präteritum zurückgekehrt bin), die eigene Sprache deiner Erzählerin ist etwas zurückgedreht. Insgesamt wirkt die Perspektive etwas unauffälliger.

Vor allem aber macht dich eine personale Erzählperspektive flexibler. Während mehr als ein Ich-Erzähler schnell für Verwirrung sorgt (denn ein „Ich“ stellt sich normalerweise nicht in jeder neuen Szene mit Namen vor), kannst du personale Perspektiven leichter abwechseln, zum Beispiel Täter und Opfer in einem Thriller abwechselnd erzählen lassen.

Aber Vorsicht! Meine Erfahrung aus der Arbeit mit Autorinnen und Autoren zeigt, dass die personale Perspektive schwieriger zu schreiben ist als eine Ich-Perspektive. Wenn du „Ich“ schreibst, wird dir meist bewusst sein, was dieses „Ich“ weiß und sieht – mit „er“ oder „sie“ driftest du leichter in allgemeine Beschreibungen ab oder springst versehentlich doch in den Kopf einer anderen Figur. Am besten trittst du immer mal wieder gedanklich zurück und überlegst, ob die Wahrnehmung auch dann funktionieren würde, wenn in deinem Text „ich“ statt „sie“ stünde.

Personaler Erzähler in Kürze

Was ist der Unterschied zwischen einem Ich-Erzähler und einem personalen Erzähler?

Egal, ob du deine Geschichte durch einen Ich-Erzähler oder einen personalen Erzähler erzählst, im Grunde ist beides wie Method Acting. In beiden Fällen gehst du völlig in der Figur auf: Du fühlst und denkst wie sie, und erzählst, als wärst du sie.

Einen wichtigen Unterschied zwischen den beiden Perspektiven haben wir uns schon im letzten Abschnitt angeschaut: Erzählst du personal, kannst du leichter Perspektivwechsel einbauen. Profis schreiben häufig sogar multipersonal, also nicht nur aus der Sicht von zwei Figuren, deren Kapitel sich abwechseln, sondern von Absatz zu Absatz aus einer anderen Perspektive. Mit der Ich-Perspektive funktioniert das nicht. Die personale Erzählperspektive drängt sich außerdem weniger in den Vordergrund als ein Ich-Erzähler oder eine Ich-Erzählerin, der Akt des Erzählens ist weniger sichtbar. Je nachdem, was du erreichen möchtest, kann das ein Vor- oder Nachteil sein.

Ein Ich-Erzähler oder eine Ich-Erzählerin wirkt meist noch näher und authentischer. Diese Perspektive lädt förmlich zu Identifikation und ist deshalb insbesondere im Jugendbuch beliebt. Nach meiner Erfahrung ist diese Perspektive außerdem relativ leicht durchzuhalten – solltest du Schreibanfänger*in sein, könnte das für die Ich-Perspektive sprechen. Auch für Figuren, die eine sehr eigene Sprache auszeichnet, ist der Ich-Erzähler eine Überlegung wert: Sprachliche Eigenheiten kannst du besser ausdrücken als in der personalen Erzählperspektive. Ein Ich-Erzähler oder eine Ich-Erzählerin kann im Gegensatz zum personalen Erzähler außerdem rückblickend erzählen. Möglich ist eine Erzählsituation, in der er oder sie berichtet, was gerade jetzt passiert, aber auch eine zurückblickende Erzählhaltung, in der beispielsweise eine alte Frau erzählt, was ihr in ihrer Jugend zugestoßen ist: Stell dir vor, Rose aus dem Film Titanic würde ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive in Buchform erzählen – dann weißt du, wie eine solche Ich-Erzählung aussehen könnte.

Und sonst so? Neutraler Erzähler und 2. Person

Neben den drei wichtigsten Erzählperspektiven gibt es noch (mindestens) zwei seltenere: die neutrale Erzählperspektive sowie den Erzähler in der zweiten Person.

Ob es neutrales Erzählen wirklich geben kann, darüber streiten sich Literaturwissenschaftler*innen schon lange. In der Theorie soll der neutraler Erzähler als eine Art Kameralinse fungieren und völlig objektiv aufzeichnen, was es zu sehen gibt. Dass das beim Erzählen mit Sprache nicht so gut funktioniert wie beim Erzählen im Film, habe ich dir bereits zu Beginn dieses Artikels gezeigt. Nur da, wo sehr viel Dialog die Handlung bestimmt, funktioniert diese neutrale Erzählhaltung wirklich – das klassische Beispiel sind Dramen, also zu Papier gebrachte Theaterstücke, die ihre Geschichte (fast) ausschließlich via Dialog erzählen.

Wo der neutrale Erzähler möglichst emotionslos berichtet, lädt ein Erzähler in der zweiten Person geradezu dazu ein, mit Gefühlen zu protzen.

Du läufst auf das Schloss zu – das Schloss, das bald deine Schule sein wird. Um dich herum die anderen Mädchen, die einfach nicht aufhörten, zu schnattern, obwohl sie sich erst seit fünf Minuten kennen. Über dir ein so knallblauer Himmel, wie du ihn in diesem Sommer bisher kaum gesehen hast. Dein Blick fällt auf das Mädchen vor dir, die goldenen Ohrringe, ihr schlichtes, weißes Oberteil zur blauen Jeans. Verdammt, ist die hübsch! Und die Klamotten sind so teuer, du bist dir sicher, dass allein das Oberteil mehr gekostet hat als alles, was du in deinem Koffer hast.

Wo zuvor von einem anderen Menschen berichtet wurde, der diese Geschichte erlebt, bist hier plötzlich du als Leser*in eingeladen, dir vorzustellen, du würdest diese Situation erleben. Hohe Punktzahl im Bereich Identifikation! Allerdings wirkt diese Erzählperspektive schnell manieriert und artifiziell und kann anstrengend zu lesen sein. Ob es also sinnvoll ist, einen ganzen Roman so zu erzählen, solltest du dir gut überlegen. Außerdem kann man sich durchaus darüber streiten, ob das „Du“ hier wirklich der Erzähler ist – strenggenommen wird es bloß angesprochen und es muss einen zusätzlichen, sehr zurückgenommenen Erzähler geben, der es anspricht.

Vereinzelt gibt es übrigens auch Geschichten und sogar Romane, die in einer Wir-Perspektive verfasst sind, zum Beispiel Jeffrey Eugenides Roman Die Selbstmord-Schwestern. Ich finde: Das sind interessante Experimente für Schreibprofis – als Schreibanfänger*in bist du mit einer der drei etablierten Erzählperspektiven besser bedient.

Weitere Erzählperspektiven in Kürze

Die richtige Perspektive für deinen Roman finden ...

Wenn du bis hierhin durchgehalten hast, weißt du nun schon ziemlich genau, welche Merkmale die einzelnen Erzählperspektiven aufweisen, wie sie sich unterscheiden und was du beachten musst, wenn du sie in deinem Roman einsetzt. Du musst jetzt also nur noch entscheiden, welche Erzählperspektive die richtige für dein Buch ist – bloß wie?

Stell dir dazu einige Fragen:

 

  • Welche Geschichte willst du erzählen? Wie viele verschiedene Handlungen bzw. Plotlines gibt es? Kannst du alle aus einer Perspektive erzählen oder benötigst du mehr als einen Erzähler?
  • Was müssen die Leser*innen an welcher Stelle der Geschichte wissen? Kannst du diese Informationen in der gewählten Perspektive vermitteln?
  • Welchen Ton soll dein Roman haben?
  • Welche Figur könnte die Geschichte erzählen? Soll es eine*r der Protagonist*innen sein, ein Außenstehender oder ein „gottgleicher“, allwissender Erzähler?
  • Wie viel Aufmerksamkeit willst du auf die Tatsache lenken, dass hier eine Geschichte erzählt wird? Soll der Erzähler das Geschehen kommentieren oder soll die Erzählperspektive möglichst unauffällig im Hintergrund verschwinden?
  • Welche Alternativen gibt es zu der Perspektive, die dir zuerst in den Kopf kommt, und welche Auswirkungen hätte ein Wechsel zu einer anderen Erzählperspektive auf deinen Roman?
  • Wie wichtig ist dir die Identifikation deiner Leser*innen mit deinen (Haupt-)Figuren?
  • Gibt es bestimmte Erzählperspektiven die für deine Zielgruppe (z.B. Jugendliche) bzw. für dein Genre (z.B. Liebesroman) typisch sind?

 

Die Antworten auf diese Fragen werden dich deiner Entscheidung näherbringen. Manchmal hilft es aber auch alles nichts, und du musst zwei oder drei verschiedene Perspektiven ausprobieren. Meist merkst du dann beim Schreiben, welche dir leicht von der Hand geht und zur Geschichte passt und welche Schwierigkeiten bereitet. Und klar, solltest du bei diesem Arbeitsschritt steckenbleiben, kann dir auch die Rückmeldung eines Profis, zum Beispiel im Zuge eines Autorencoachings, weiterhelfen.

... und durchhalten!

Ganz wichtig:

Wenn du dich einmal für eine Erzählperspektive entschieden hast, halte sie durch!

Das ist oft gar nicht so einfach. Du als Autor*in weißt schließlich alles über deine Geschichte und deine Figuren. Beim Schreiben wird es dir ab und zu passieren, dass du nicht mehr als dein Erzähler oder deine Erzählerin agierst, sondern als allwissende*r Autor*in – und schon steht etwas auf dem Papier, das deine Figur gar nicht wissen oder wahrnehmen kann.

Da hilft nur, regelmäßig innezuhalten und dich selbst daran zu erinnern, aus wessen Perspektive du deinen Roman erzählst. Auch bei der Überarbeitung deines Textes gehört ein Überprüfungsdurchgang dem Thema Perspektive. Und als letzte Prüfungsinstanz wird dein Lektor oder deine Lektorin ein kritisches Auge darauf haben, ob du die gewählte Perspektive an allen Stellen durchgehalten hast.

Je fortgeschrittener du in deinem Schreiben wirst, umso entspannter wirst du mit dem Thema Erzählperspektive umgehen. Erfahrene Autor*innen schreiben häufig multiperspektivisch, das heißt, sie wechseln die Erzählperspektive immer mal wieder. Das birgt sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten für deinen Roman, bringt aber auch ein großes Fehlerpotenzial mit sich. Wenn du also Schreibanfänger*in bist, empfehle ich dir dringend, dich nicht in Versuchung führen zu lassen: Bleib deiner Perspektive treu!

Und jetzt? Wenn du schon angefangen hast, an deinem Roman zu arbeiten, nutze das neue Wissen und überprüfe, ob die gewählte Erzählperspektive passt. Welche Gründe sprechen für sie, welche dagegen? Vielleicht hast du auch Lust, zu überlegen, wie eine andere Perspektive deine Geschichte verändern würde. Trau dich, bewusst durch Erzählperspektiven zu gestalten!

Wenn du unsicher bist, ob du die gewählte Erzählperspektive durchhältst oder dich nicht entscheiden kannst, welche die richtige ist, melde dich gern bei mir. In einem Manuskript-Gutachten erhältst du eine erste Einschätzung, ob die Perspektive stimmt (und natürlich auch darüber hinaus Rückmeldung zu deinem Roman). Oder wir erarbeiten im Autorencoaching gemeinsam, welche Erzählperspektive die richtige für deinen Roman ist.

Schreib weiter!

Deine Textgefährtin Meike

Die Textgefährtin: Meike Blatzheim

Meike Blatzheim, Textgefährtin

Schreibende/lektorierende/übersetzende Tausendsassa und realitätsverhaftete Tagträumerin.
Als Kind wollte sie Autorin, als Jugendliche Journalistin und als Studentin Übersetzerin werden. Heute ist sie von allem ein bisschen – und vermittelt in Schreibkursen und als Autorencoachin ihr Wissen außerdem an alle, die Literatur und Schreiben ebenso lieben wie sie.

2 Antworten

  1. Wow! Du hast dir unglaublich viel Mühe gegeben, diesen Teil eines Schreibprozesses zu erklären! Man erkennt in diesen Ausführungen dein Detailwissen. Ich meine aber auch zu sehen, dass es dir ein echtes Anliegen ist, Interessierte zu motivieren, damit sie mit ihrem Romanprojekt weiterkommen. Ich werde nach dieser Lektüre jedenfalls all meine derzeit in 2. oder 3. Version vorliegenden Romanprojekte auf die Perspektive abklopfen.
    Weiterhin viel Erfolg und
    alles Liebe
    Karin

  2. Vielen Dank für den tolles Feedback! Ja, das ist ein sehr komplexes Thema, zu dem ich noch ein paar Seiten mehr hätte schreiben können 😉 Und, noch mal ja, es lohnt sich immer, an den eigenen Texten zu überprüfen, ob die Perspektive wirklich ideal passt, und ob man sie durchgehalten hat. Ich wünsche dir viel Spaß dabei!

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